Milliarden für die Infrastruktur – Wo ist der Haken?

Milliarden für die Infrastruktur – Wo ist der Haken?

 

Die (absehbare) neue Regierung hat ihre Reform der Schuldenbremse durchgebracht. Nach ein bisschen Zetern und Zaudern sind die Grünen mit an Bord, nachdem ein Teil davon auch in Klimaprojekte fließen soll (vermutlich waren sie mit dem anderen Verwendungszweck eh einverstanden, doch dazu später mehr). Jetzt kommt endlich mal Bewegung rein, unsere verrottende Infrastruktur wird saniert! Ist doch toll, oder? Aber die ganze Sache hat ein paar gewaltige Haken.

Zunächst einmal fällt auf, dass die Schuldenbremse jetzt plötzlich ausgesetzt bzw. reformiert werden soll. Das klingt auf den ersten Blick durchaus positiv – haben die politische Linke und Sozialverbände doch schon lange darauf hingewiesen, dass diese lediglich Investitionen in Infrastruktur und Soziales ausbremst (und mit umgekehrter Bewertung bestätigt das sogar die herrschende Klasse). Die Schuldenbremse ist eine Zwangsjacke, die die finanziellen Möglichkeiten einengt – denn irgendwo muss man ja sparen … Aber jetzt geht es nicht um irgendwelchen sozialen Pipifax – nein, es geht ums Aufrüsten! Und da Rüstung in diesem Umfang kein Kinkerlitzchen ist, müssen eben Schulden gemacht werden – da stört die Schuldenbremse nur. Ein weiteres Beispiel, das Bände über die Prioritäten der Herrschenden und Regierenden im Kapitalismus spricht.

Doch halt! Das ist doch gar nicht wahr, was ihr hier behauptet!, höre ich die Apologeten der Regierung schon schreien. Es soll doch gerade massiv in die Infrastruktur investiert werden, oder nicht? Das ist wahr – und doch nur ein Teil der Wahrheit. Boris Pistorius will die Bundesrepublik kriegstüchtig machen – hätte er das nicht so martiali­sch gemeint, wie er es gesagt hat, dann hätte er verteidigungsfähig gesagt (und diese Wortwahl nicht noch wiederholt). Doch der schönste Feldzug gen Osten muss scheitern, wenn das tolle neue Mordwerkzeug nicht an die Front gelangt. Deshalb werden marode Straßen, kaputte Schienennetze und überhaupt eine desaströse Infrastruktur plötzlich zum Problem. Überspitzt gesagt: Wie im (bisher) dunkelsten Kapitel unserer Geschichte die Autobahnen für den Ostfeldzug gebaut wurden, so sanieren wir sie heute zum selben Zweck. Wie sehr Otto Normalverbraucher darunter jahre-, wenn nicht jahrzehntelang zu leiden hatte, war und ist egal. Es war eben kein Geld da …

Und so ist dieses Infrastruktur-Sondervermögen nicht nur gefährlich, weil es dem Krieg dient. Es ist auch ein erhobener Mittelfinger gegenüber der Bevölkerung: Solange es um uns und unsere Bedürfnisse ging, hätten die Herrschenden nicht gleichgültiger sein können. Es muss schon um Tod, Zerstörung und geopolitische Interessen gehen, damit endlich mal Bewegung reinkommt. Dass die Bevölkerung davon auch profitiert (sofern die sanierte Infrastruktur lange genug steht), ist nur ein Nebeneffekt, ein unwichtiges Beiprodukt. Deutlicher kann man nicht machen: Die werktätige Bevölkerung interessiert im Kapitalismus nur, insoweit sie funktioniert und stillhält, unsere Bedürfnisse sind nicht von Belang. Es ist höchste Zeit, das endlich zu ändern.

Ralph Petroff