Habeck in China

Habeck in China

 

Wirtschaftsminister Robert Habeck ist nach China gereist – mit “deutlichen
Forderungen an den Gastgeber”, wie es das ZDF-heute-journal formuliert.
Wäre es nicht so unverschämt, man könnte darüber lachen – ein Vertreter der
kleinen, wirtschaftlich schwächelnden Bundesrepublik kommt als Gast nach
Peking und stellt Forderungen an die Welt- und Wirtschaftsmacht China? Das
versprüht den Geist der Herrenvolkmentalität und der Hunnenrede von Kaiser
Wilhelm. Viel hat sich seitdem offensichtlich nicht geändert.

Natürlich geht es dabei auch um Wirtschaftsbeziehungen zu Russland. Konkret
wirft Habeck China “Solidarität mit Russland” vor: “Mit Russland, da wachsen
die Handelsbeziehungen, und die Chinesen kaufen die russischen Rohstoffe
günstig ein.” Doch wo ist da die Solidarität? Was die Volksrepublik tut, ist
nichts anderes, als ihren ökonomischen Interessen zu folgen. Das ist wie beim
Verbraucher im Supermarkt, der, sagen wir, Nudeln braucht, ins Regal schaut,
die Preise vergleicht und das günstigste Produkt kauft. Ist das etwa Solidarität
mit dem entsprechenden Hersteller? Chinas “Vergehen” scheint einzig darin zu
bestehen, seinen eigenen Interessen zu folgen und nicht westlichen
imperialistischen Zielen zu entsprechen …

Das heute-journal zitiert Habeck darüber hinaus mit den Worten: “Niemand in
Europa, niemand in Deutschland will Produkte kaufen, die durch Zwangsarbeit
produziert wurden, die unter Missachtung von Menschenrechten produziert
wurden, wo Kinder elend arbeiten mussten, unter elenden Bedingungen
arbeiten mussten, wo Landraub Grundlage ist von Produktion.” Ach, wie
humanistisch und nobel von Habeck, derart “harte Kante” (sic!) zu zeigen.
Doch offen gesagt, ich musste lauthals lachen.

Denn zum einen ist Habeck hier rhetorisch geschickt vorgegangen:
Wortwörtlich behauptet er nicht, dass all dies in China der Fall sei – im
Zusammenhang wird aber deutlich, dass er genau das meint. Und das ist
einfach nicht der Fall: Der Arbeitsschutz in der Volksrepublik ist umfassend,
gegen Kinderarbeit wird energisch vorgegangen. Worauf sich Habeck bei
Landraub bezieht, wird nicht ganz klar – aber bei chinesischem Landerwerb in
Afrika kann man angesichts der massiven Entwicklungsinvestionen schwerlich
von Raub sprechen. Und der Aspekt der Zwangsarbeit kann sich nur auf derlei
Gerüchte bezüglich Xinjiang beziehen. Die Volksrepublik bestreitet diese und
gibt an, dass es sich um Arbeitsprogramme zur Deradikalisierung handelt.

Doch mal ganz abgesehen davon: An dieser Stelle sei die rhetorische Frage
erlaubt, ob sich Habeck so auch gegenüber US-Präsident Joe Biden geäußert
hätte – gibt es doch gerade in US-Gefängnissen Zwangsarbeit für Hungerlöhne.
Und wie ist das mit Kinderarbeit? Läge Habeck richtig, dürften die Leute hier
keine (oder nur einige wenige) Smartphones kaufen, keine Markenprodukte,
die in Drittweltländern genäht werden – und auch nicht Habecks heißgeliebte
Elektroautos. (Im Übrigen: Nimmt man Habeck beim Wort, hat er gar kein
Problem mit Kinderarbeit per se, sondern nur damit, dass “Kinder elend
arbeiten müssen”. Doch dies nur nebenbei.)

Es ist blanke Heuchelei, China vorzuwerfen, wovon westliche Kapitalisten
anderswo profitieren – und das nur auf der Grundlage einer Behauptung und
ohne jegliche Indizien, von Beweisen ganz zu schweigen. Aber wozu auch
Belege? Wenn man Behauptungen immer wiederholt, prägen sie sich
irgendwann ein und werden zur allseits akzeptierten “Wahrheit” – “man weiß
eben”, dass der Chinamann bösartig und skrupellos ist und für Profit alles tut.
Projektion wie aus dem Lehrbuch der Psychologie …

Ralph Petroff