Es ist wieder “Pride Month”
Nun ist also wieder Juni – oder “Pride Month”, wie einige ihn nennen (oder “Stolzmonat”, wie ihn wieder andere nennen – aber das wäre ein Thema für einen eigenen Artikel). Und wie jedes Jahr tragen Unternehmen, denen die Identität ihrer Lohnsklaven und Kunden nicht gleichgültiger sein könnte, ihre vermeintlichen Werte wie eine Monstranz vor sich her, indem sie in den sozialen Medien ihre Profilbilder in Regenbogen tauchen. Kaum ein Unternehmen kann oder will es sich leisten, auf diesen Zug nicht aufzuspringen.
Doch seit Donald Trump wieder das Weiße Haus bewohnt, ist das etwas anders: Seither ist ein “wokes” Image nicht mehr so geschäftsfördernd, und deshalb verzichten einige Unternehmen in den USA auf dieses übliche Ritual. In linksliberalen Kreisen wird diesen nun empört Heuchelei vorgeworfen. Ist das gerecht? Trifft es zu? Ist das alles wirklich nichts als Heuchelei? Aber natürlich! Doch nicht die Heuchelei ist das, worüber man sich wundern sollte – sondern darüber, dass sich Leute über diese Heuchelei wundern …
Bereits früher gab es einen regelrechten Shitstorm gegen BMW: Der Autobauer hatte im Juni 2021 seine Profilbilder in Regenbogen getaucht – allerdings nicht in den Accounts für Russland und Saudi-Arabien. Die Empörung war groß, vor allem auch über die Begründung: BMW erklärte ganz offen, man stehe für queere Menschen ein – aber eben nur, wenn “marktspezifische gesetzliche Regelungen und landesspezifische kulturelle Aspekte” es ermöglichen. Die Emotionen kochten hoch, queere Menschen fühlten sich zu Recht verschaukelt, während man bei BMW die ganze Aufregung nicht nachvollziehen konnte.
Dabei basiert die gesamte Empörung lediglich darauf, dass den Konzernen ihr Gerede von Werten und Haltung abgekauft wurde. Wenn man es sich nämlich sachlich anschaut, ist alles ganz einfach: Unternehmen interessieren sich nicht für Werte, sondern für Maximalprofit. Es geht darum, aus den Beschäftigten möglichst viel Mehrwert zu pressen und diesen dann im Verkauf zu versilbern. Und um Letzteres zu erreichen, erzählt man der potenziellen Kundschaft, was sie hören will. Wenn der Wind des Zeitgeistes aus der “woken” Richtung weht, dann spielt man eben mit und wenn bzw. wo der Zeitgeist aber eher den viel beschworenen “traditionellen Werten” entspricht, da spart man sich das ganze Gerede von Vielfalt und Werten eben und bietet einfach nur seine Waren an. Und überspitzt formuliert: Hätte ein Unternehmen seine Waren im sogenannten Islamischen Staat verkaufen wollen, hätte es eben mit enthaupteten “Ungläubigen” geworben.
Der einzige Wert, der für Unternehmen zählt, ist der Tauschwert. Minderheiten und deren Anliegen sind hierbei nur insoweit von Interesse, als sich mit ihnen Geld machen lässt. Antidiskriminierung spielt nur insofern eine Rolle, als die Harmonie am Arbeitsplatz zwecks reibungsloser Mehrwertproduktion gewahrt bleibt. Davon abgesehen sind Nationalität, sexuelle Identität oder sonstige Eigenschaften der Lohnsklaven ebenso irrelevant wie deren Lieblingsverein oder ihr Musikgeschmack. Ironischerweise ist das Kapital gerade dadurch im Großen und Ganzen diskriminierungsfreier als der Rest der Gesellschaft – ihm sind wirklich alle Menschen gleich, nämlich in ihrer Eigenschaft als Nutztiere. Dass es mit dem Klassenbewusstsein (nicht nur) des deutschen Proletariats nicht allzu weit her ist, ist ja leider nichts Neues – und doch wundert mich immer wieder, dass viele noch nicht einmal die simple Tatsache erkennen, dass die einzigen Werte des Kapitals Dollar, Euro, Yen oder Rubel heißen …
Ralph Petroff