Einsamkeit – nicht nur zu Weihnachten …
Hier in Japan, wo ich mich (noch) befinde, ist Weihnachten ein Fest für Pärchen: Die Glücklichen verbringen das Fest wie ich mit ihren Partnern, die anderen bei ihren Familien oder traurig allein. Man sagt hier, wenn man Interesse an einem Japaner oder einer Japanerin hat, müsse man im Herbst nach seinem oder ihren Plänen für Weihnachten fragen.
Warum dieser kulturelle Exkurs? Auf der Website des Bayerischen Rundfunks (BR) ist etwas irgendwie Schönes, aber eigentlich Trauriges zu finden: Hier gibt es Tipps und Anlaufstellen für Menschen, die zu Weihnachten einsam und bedürftig sind. Schön ist das insofern, als wir alle uns mehr umeinander kümmern und Solidarität entwickeln sollten. Traurig ist hingegen, dass so etwas überhaupt nötig ist.
Es ist lobenswert, dass sich Menschen derartig engagieren; und wer selbst betroffen ist oder jemanden kennt, findet im BR-Link hoffentlich hilfreiche Informationen. Die Suizidrate ist um Weihnachten herum jedes Jahr am höchsten. Warum? Weil viele von denen, die komplett isoliert sind und am Ende der Nahrungskette stehen, ihre Einsamkeit und ihren Schmerz speziell zu dieser Zeit nicht mehr ertragen. Wir sind soziale Wesen und brauchen ein soziales Umfeld, um menschenwürdig leben zu können.
Doch Tatsache ist: Diese Entwicklung der Vereinsamung ist hausgemacht und nimmt spätestens seit der neoliberalen Wende unter Rot-Grün an Fahrt auf. “So etwas wie die Gesellschaft gibt es nicht. Es gibt nur einzelne Männer und Frauen, und es gibt Familien. Keine Regierung kann existieren, ohne dass die Menschen zunächst für sich selbst sorgen”, verkündete Margaret Thatcher, das Postergirl des Neoliberalismus, schon 1987.
Das ist die Gesellschaft (pardon, die gibt es ja gar nicht), die sich der Kapitalismus wünscht: Jeder für sich, bloß keine Solidarität, bloß kein Zusammenhalt. Jeder hat in seinem Hamsterrad zu rennen, sich um sein Fortkommen zu kümmern und damit das Kapital zu mästen. Die Kehrseite dessen – massive Vereinsamung vieler, gerade auch älterer Menschen – spielt dabei überhaupt keine Rolle. Wo kämen wir auch hin, wenn menschliche Schicksale die Profitmacherei untergraben könnten?
In diesem Sinne werden Vereinzelung und Einsamkeit gezielt geradezu gezüchtet – nicht nur zu Weihnachten, doch in dieser Zeit des Jahres wird es natürlich besonders deutlich. Das einzige Gegenmittel ist Solidarität. Wir hoffen natürlich, dass die vom BR vorgestellten Initiativen dazu etwas beitragen. Und selbstverständlich wünschen wir allen Lesern frohe Weihnachten – ob mit ihrem Partner, der Familie oder auch allein.
Ralph Petroff
