Die DDR-Wirtschaft

Die DDR-Wirtschaft

Von den Anfängen bis zur Treuhandanstalt

 

Über die Deutsche Demokratische Republik – nicht nur, aber auch über ihre Wirtschaft – geistern die verschiedensten Klischees und Vorurteile herum. Am 8. März hatten wir die Gelegenheit, einem Vortrag von Uwe Trostel zu lauschen. Trostel war von 1978 bis 1987 Vorsitzender der Bezirksplankommission Magdeburg und von 1987 bis 1989 Leiter der Zentralen Staatlichen Inspektion fu‌r Investitionen. 1990 war er Stellvertretender Minister für Wissenschaft und Technik.

Seine Hauptabsicht, so Trostel, sei es nachzuweisen, dass die DDR trotz aller Probleme effektiv gewirtschaftet hat. Die DDR habe bis zum letzte Tag all ihre Verpflichtungen erfüllt, ob es nun um Schulden, Löhne oder sonstiges ging. Die Schulden waren in der BRD auch pro Kopf gerechnet viel höher. Daher wolle er mit seiner Aufklärung weitermachen, solange es nur geht – denn es mache ihn wütend, wie die Fakten verzerrt und die DDR von Leuten verleumdet wird, die überhaupt keinen detaillierten Einblick in dieses Thema hatten. Das Kapital, so Trostel, verzeiht uns nie, dass wir den Ostteil Deutschlands für 45 Jahre dem Zugriff der Kapitalisten, Großgrundbesitzer und sonstigen Ausbeutern entzogen haben – deshalb muss sie im Nachhinein natürlich als “pleite”, “Schrott”, “ineffiziente Planwirtschaft” usw. diffamiert werden.

Trostel stellt zunächst dar, wie viel schlechter die Ausgangsbedingungen der DDR waren: Während der Westen sich um die Zahlung von Reparationen an die Sowjetunion drückte, investierte die DDR für viele Jahre etwa ein Viertel ihres Budgets in Wiedergutmachungszahlungen. Zudem hatte die DDR das Problem, dass sie quasi keine Rohstoffe hatte – so war sie sowohl durch den Verlust der nun polnischen Ostgebiete als auch durch die Abtrennung vom Ruhrgebiet komplett von Steinkohlevorkommen und Stahlindustrie abgeschnitten, während die BRD über all das verfügte. Und während der Westen über den Marshallplan mit US-Geld vollgepumpt wurde, wurde gegen das sozialistische Lager ein Technologieembargo verhängt.

Doch trotz all dieser Nachteile gab es in der DDR in jedem einzelnen Jahr ein Wirtschaftswachstum, auch materiell: So stieg etwa das Einkommensniveau von 300 DDR-Mark 1950 auf 1.300 Mark 1989. Dabei gilt es allerdings zu beachten, dass die Preise extrem niedrig waren und der Reallohn daher deutlich höher war als die niedrig anmutende Zahl. Allein in den Jahren von 1970 bis 1989 sind 6,5 Millionen Bürger in Neubauwohnungen eingezogen – der Vergleich zur heutigen BRD fällt für diese kläglich aus, auch auf 10.000 Einwohner gerechnet. Es ging in der DDR also quasi stetig bergauf, und von Mangelwirtschaft oder Stagnation kann insgesamt betrachtet keine Rede sein.

Heißt das aber, dass in der DDR alles prima gewesen wäre? Keineswegs, und das behauptet Trostel auch gar nicht. In den 80er-Jahren gab es tatsächlich eine gewisse Stagnation. Aufgrund der Rohstoffknappheit musste die DDR viel importieren – und wenn diese Waren vom Klassenfeind kommen, kostet das natürlich. Obwohl die staatlich garantierten Niedrigpreise eine Errungenschaft waren, waren die Preise insgesamt zu niedrig: So konnten die Betriebe nicht rentabel arbeiten, und zugleich hortete die Bevölkerung erhebliche Ersparnisse, für die sich nichts kaufen ließ. Aufgrund der Sozial- und Konsumpolitik, die gewaltige Mittel verschlang, war die Investitionsrate rückläufig. Und gleichzeitig hatten Einzelne viel zu viel Macht über die Wirtschaft, die bei Weitem nicht immer zum Vorteil der Volkswirtschaft genutzt wurde.

Und doch hat die DDR bewiesen: Staatseigentum und Planwirtschaft können sehr wohl effektiv sein, sie bieten soziale Sicherheit und die Möglichkeit zur strategischen Planung. Es ist durchaus möglich, das Gemeinwohl statt des Profits zum Ausgangspunkt der Wirtschaft zu machen. Die Gewinne gingen in der DDR an den Staat, der diese im Interesse des Gemeinwohls verteilte. Die strategische Planung der Grundfragen der Volkswirtschaft ermöglichte die Ausrichtung der Ökonomie auf die Bedürfnisse der Gesellschaft. Und die höchsten Gehälter waren maximal drei- bis fünfmal so hoch wie die niedrigsten – was heute unvorstellbar ist. All dies ist eine sozialistische Wirtschaft zu leisten imstande, und daran gilt es immer wieder zu erinnern.

Ralph Petroff