Psychische Krankheiten – und der Umgang mit ihnen

Psychische Krankheiten – und der Umgang mit ihnen

 

In den letzten Wochen hatte der Bayerische Rundfunk immer wieder über psychisch kranke Straftäter berichtet: dass der Messerangreifer von Aschaffenburg ein “massiv denkgestörter Mensch” sei, dass der Messerangreifer von Würzburg (auffälligerweise wird immer diese Formulierung gewählt) nicht abgeschoben werde, dass der Messerangreifer von Aschaffenburg in die Psychiatrie komme. In einem vor Kurzem veröffentlichten Artikel wurde nun versucht, etwas Licht ins Dunkel zu bringen, was genau das heißt und wie es in solchen Psychiatrien zugeht.

Das ist grundsätzlich erst mal lobenswert, denn viele Menschen stellen sich die Einweisung psychisch kranker Straftäter vor wie eine Art Hausarrest in einer Luxusvilla. Dabei sind die Bedingungen bisweilen strenger als im Gefängnis: So war beispielsweise John Hinckley – der Mann, der auf den damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan geschossen hatte, um die Schauspielerin Jody Foster zu beeindrucken – weitaus länger in der Psychiatrie eingesperrt, als das wegen versuchten Mordes im Gefängnis der Fall gewesen wäre. Und mit lauter psychisch kranken Straftätern zusammen eingesperrt zu sein, stellt sich niemand von uns wie eine Vergnügungsreise vor.

Natürlich ist die Realität eine ganz andere: Aus vertraulichen Quellen konnten wir einen Eindruck davon gewinnen, wie es in der Psychiatrie ausschauen kann. Auffällige Patienten werden zuallererst ruhig gestellt. Auf der geschlossenen Station ist das ein alltägliches Bild. Schlägt jemand über die Stränge, warten der Gurt und die Spritze. Eine Therapie findet erst mal überhaupt nicht statt, bis der Patient die Freigabe hat. Und selbst dann darf man sich das eher als nützliche Beschäftigung vorstellen, um im Arrest etwas Restverstand zu behalten. Doch selbst mit allen Freigaben verbleibt man eine Nummer. Man durchläuft ein Programm, das nicht an den Patienten angepasst ist, sondern ein Standardprozedere darstellt. Sobald der Betroffene keine Gefahr mehr darstellt und/oder die Krankenkasse keinen weiteren Aufenthalt genehmigt, wird man entlassen. Ist man nun geheilt? Der Kranken- bzw. Rentenkasse nach ja.

Auffällig ist zudem, dass selbst im günstigsten Fall der Fokus bei der Behandlung sehr auf dem Individuum liegt: Im Mittelpunkt steht der einzelne Täter, der so lange eingesperrt bleibt, bis ein Arzt (wiederum als Einzelperson) dessen Heilung feststellt. Das spiegelt den individualistischen westlichen Ansatz wider, birgt aber dieselbe Problematik wie beispielsweise oft Entzugstherapien: Der Täter gilt als geheilt und wird entlassen. Wohin? Für die Psychiater spielt das keine Rolle. Also wird unser Täter einfach in sein altes Leben zurückkehren – an den alten Wohnort, ins alte Milieu, ins alte Umfeld. Kurz gesagt: Alles, was die Person überhaupt erst krank gemacht oder diese Erkrankung zumindest wesentlich begünstigt hat, wird reproduziert. Und wenn er dann rückfällig wird, ist er eben einfach selbst schuld.

In China hat man einen anderen Ansatz gewählt: Die gesamte Therapie ist sozusagen kollektiv. Man hat dort verstanden, wie wichtig die Lebensumstände sowie die Menschen im Leben Betroffener sind, und bezieht diese daher in die Therapie ein. Und man darf sich sicher sein, dass ein solcher Ansatz auch zu viel niedrigeren Rückfallquoten führt. Während wir halbe Sachen machen, denken die Chinesen die Dinge konsequent zu Ende. Der Grund dafür ist, dass die Regierung dort den erklärten Anspruch hat, dem Volke zu dienen. Es geht im wahrsten Sinne des Wortes um eine Dienstleistung an der Bevölkerung. Hier hingegen geht es in allererster Linie um den Profit: Alles muss billig sein, alles muss sich rechnen. Dann wird eben an allen Ecken und Enden gespart, und es wird gepfuscht und halbherzig vorgegangen, weil alles andere zu aufwändig und teuer wäre. Um mit Shakespeare zu sprechen: Ist es Wahnsinn auch, so hat es doch Methode …

Ralph Petroff & D. S.