Soldaten – Helden oder Täter
In Schweinfurt wurde ein 71-jähriger ehemaliger US-Soldat wegen Mordes verurteilt. Der damals 24-Jährige, der zu jener Zeit in Schweinfurt stationiert gewesen war, hatte nach Überzeugung des Gerichts 1978 seine 18-jährige Geliebte mit 18 Messerstichen getötet. Der Mann selbst bestreitet die Tat, allerdings wurde seine DNA an der Kleidung des Opfers gefunden. Da bekommt der alte Spruch “Soldaten sind Mörder” doch mal eine ganz neue Bedeutung …
Dabei ist dieser natürlich wie viele Slogans – im Kern richtig, aber gewaltig verflacht. Glücklicherweise dürften die allerwenigsten Soldaten jemals jemanden getötet haben. Und vor allem hängt es natürlich davon ab, in welcher Armee und welchem Staat man dient – kein Soldat der Nationalen Volksarmee der DDR hat getötet, bei der Bundeswehr der imperialistischen BRD sieht das schon ganz anders aus.
Und doch: Soldaten werden letzten Endes zum Töten ausgebildet. Ob Verteidigungs- oder imperialistische Eroberungsarmee: Im Ernstfall kommt es darauf an, den Feind auf dem Schlachtfeld zu töten. Und das möglichst, ohne zu hinterfragen oder sich Gedanken zu machen – damit zur Not Arbeiter wie abgerichtete Hunde auf ihre Klassenbrüder schießen. Natürlich macht das etwas mit einem Menschen; und dann kommt es eben darauf an, wie damit umgegangen wird. In einer Friedens- und Verteidiungsarmee wird den Soldaten verdeutlicht, dass es nicht ums Angreifen, Erobern und Morden geht und dass das Töten des Feindes die Ultima Ratio ist, sofern dieser angreifen sollte. In einer solchen Armee wird dem Erziehen des Soldaten zum Killer entgegengewirkt.
Dass es sich bei der US-Armee (und leider nicht nur bei dieser) aber nicht um eine solche Armee handelt, liegt auf der Hand. Die USA sehen sich als Herren der Welt, berechtigt, sich überall einzumischen, wo sie ihre Interessen angetastet sehen. Letztlich wollen sie eine Welt nach ihrem politischen Ebenbild formen – und bist Du nicht willig, so brauch’ ich Gewalt. Soldaten, die in diesem Geist erzogen werden, sind tickende Zeitbomben – und nicht nur auf dem Schlachtfeld potenzielle Mörder. (Interessanterweise argumentierte der Anwalt des Verurteilten auch mit einer posttraumatischen Belastungsstörung, ein Trauma, das in Militärkreisen auch Kriegsneurose genannt wird.)
Wohlgemerkt: Wir wollen damit nicht sagen, dass der Täter keine Schuld habe und ein reines Opfer der Umstände sei! Die persönlichen Umstände, das Sein, das das Bewusstsein bestimmt, ist das eine – die persönliche Verantwortung das andere. Doch macht auch dieser Fall deutlich, wohin Militarismus, Imperialismus und ein Klima der Aggression führen. Und um ein solches auch hierzulande zu entwickeln (bzw. zu intensivieren), will Deutschland immer mehr und mehr Milliarden ausgeben, die anderswo dringend gebraucht würden? Wir wollen, dass dieses Geld in Soziales und (zivile) Infrastruktur fließt statt in Mordwerkzeuge. Wir wollen, dass der Mensch und seine Bedürfnisse im Vordergrund stehen – nicht der Profit einiger weniger, und auch keine Aggression zu diesem Zweck. Mit anderen Worten: Wir wollen den Sozialismus als einzige Alternative zur kapitalistischen Barbarei!
Nebenbei bemerkt: Obwohl ich seit ziemlich genau fünf Jahren in Schweinfurt lebe und durchaus Interesse an “True Crime” habe, habe ich von diesem Fall bis vor ein paar Tagen noch nie etwas gehört. Weder wurde aus diesem Prozess eine große Sache gemacht, noch wird des Opfers gedacht. Dabei dürften derart brutale Mordfälle in Schweinfurt selten sein – und umso mehr, dass sie nach Jahrzehnten noch gelöst werden und der Täter verurteilt wird. Aber vielleicht schweigt man zu Verbrechen von Soldaten auch lieber – zumal, wenn es der “große Bruder” war …
Ralph Petroff