Greta Thunberg
Von der Heldin zur Hassfigur – und umgekehrt …
Greta Thunberg polarisiert – und zwar schon immer. Seit sich die junge Schwedin mit ihrem “Schulstreik für das Klima“ hervorgetan hatte, war sie für die einen die Lichtgestalt im Kampf gegen den Klimawandel, für die anderen hingegen eine Hassfigur, in der bestimmte Kreise alles verkörpert sahen, was sie ablehnen. Natürlich war Thunberg – damals nicht mal volljährig und auch heute erst zarte 22 Jahre alt – in ihrem Einsatz für das Klima aufgrund ihres jugendlichen Überschwangs bisweilen etwas hysterisch und alarmistisch. Doch immerhin hat sie sich für etwas eingesetzt, das uns alle betrifft – den Umweltschutz (denn nichts anderes ist Klimaschutz). Und sie scheut keineswegs davor zurück, den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Kapitalismus deutlich zu machen.
Damit wurde die junge Schwedin schnell zum Hassobjekt des Kapitals (ganz besonders jener Fraktionen, die auf alten Industrien beruhen) sowie Konservativer bis Rechtsextremer aller Welt: Der konservative “Kabarettist“ Dieter Nuhr arbeitete ein paar plumpe Schenkelklopfer über Thunberg in sein Programm ein; diverse “Anti-Gretas” wurden medial aufgebaut; es gab sogar trotzig-infantile Gegenkampagnen. Eine junge Frau, die sich mit Begeisterung für etwas einsetzt, das den gewohnten Lebensstil etwas einschränken oder auch nur verändern könnte – für die politische Rechte hätte es kein besseres Feindbild geben könnten als diese “links-grün versiffte Göre“.
Doch dann passierte etwas, das so nicht vorauszusehen war: Thunberg begann, sich für das Schicksal der Palästinenser zu interessieren. Nun muss man wissen, dass es in der radikalen Rechten in Sachen Israel zwei Fraktionen gibt: Die einen stellen sich bedingungslos hinter Israel, weil sie damit ihren Ausländer- und Muslimhass ungehemmt ausleben und sich dabei auch noch vom Antisemitismus reinwaschen können. Die anderen sehen ihr Hauptfeindbild nach wie vor nicht in “muslimischen Kanaken”, sondern unverändert im “Weltjudentum”. Diese Menschen haben keinerlei Interesse am Schicksal der Palästinenser, vermutlich freuen tote Araber sie insgeheim – aber sie lassen sich eben prima instrumentalisieren, wenn es gegen den jüdischen Staat geht.
Und gerade Letztere haben nun ihr Herz für Thunberg entdeckt. Jürgen Elsässer, der auch heute noch von der “Klima-Göre” spricht, feiert Thunberg plötzlich in seinem Magazin Compact. Auch Andrew Tate, quasi in jeder Hinsicht die Antithese zu Thunberg, der sich mit ihr auch schon öffentlich angelegt hat, applaudiert ihr nun. Wir machen uns ausdrücklich nicht die Position der aktuellen israelischen Regierung zu eigen, jegliche Kritik am Vorgehen Israels als antisemitisch abzukanzeln – aber bei derartigen Gestalten fällt es in der Tat schwer, eine andere Erklärung für diesen abrupten Meinungsumschwung zu finden.
Auf der anderen Seite haben sich zahlreiche bisherige Unterstützer von ihr abgewandt: Fridays for Future Deutschland hatte sich bereits früher gegen Thunberg gestellt. Nun gilt sie auch Medien, die zuvor recht wohlwollend über sie berichtet hatten, als “Antisemitin” oder fanatische “Israelhasserin“. Während “Klima-Greta” noch fast jedermanns Liebling zu sein schien, ist “Hamas-Greta” nun plötzlich untendurch in den linksliberalen Kreisen. Und warum? Weil in diesem Milieu eine bedingungslose Solidarität mit Israel vorherrscht. Israel könnte den Gazastreifen komplett in Schutt und Asche legen, keinen Überlebenden übrig lassen und die arabischen Israelis aus dem Land vertreiben – und diese Leute würden das immer noch beklatschen. Bei solchen Menschen wird man schnell zum Nestbeschmutzer, wenn man auf das Leid der Palästinenser hinweist und sich mit diesen solidarisiert – denn das kommt Kritik an Israel gefährlich nahe. Wer das wagt, wird zum Feindbild – und sei es eine frühere Ikone wie Thunberg.
Ja, Thunberg neigt bisweilen zu einem gewissen Fanatismus und Schwarz-Weiß-Denken; der Kampf Gut gegen Böse lässt nicht viel Platz für Grautöne. Und man kann durchaus diskutieren, wie sinnvoll ihre jüngste Aktion im Sinne der Palästinenser wirklich war. Doch es geht hierbei nicht um Thunberg; und es geht auch nicht um Israel, die Hamas oder die Palästinenser (dazu haben wir an anderer Stelle bereits geschrieben). Es geht hier um Menschen, die sich weder um Israels Existenzrecht und sein legitimes Sicherheitsbedürfnis noch um die Palästinenser, ihr Schicksal und ihre Interessen kümmern. Der Nahostkonflikt wird instrumentalisiert und dient als Projektionsfläche – für Araberhasser und Muslimfeinde, für Antisemiten und bedingungslos “Israelsolidarische”. Ich bezweifle, dass das Thunbergs Absicht war – aber man muss ihr eigentlich dankbar sein, dass sie das so deutlich gemacht hat …
Ralph Petroff