Kommentar der DKP Unterfranken zu den Wahlen in Thüringen und Sachsen

Kommentar der DKP Unterfranken zu den Wahlen in Thüringen und Sachsen

 

Nun ist es passiert – und zwar mit Ansage: Die AfD erzielte in Thüringen und Sachsen jeweils Ergebnisse oberhalb der 30 Prozent. Für alle Demokraten und Antifaschisten ist das eine traurige Tatsache. Dabei waren die Ergebnisse in diesen beiden Bundesländern zwar besonders stark, doch ist die AfD auch in der alten Bundesrepublik auf dem Vormarsch. Aber was macht diese Partei so stark? Und was können wir als Kommunisten tun?

Man könnte es sich nun einfach machen und sagen: Das sind eben einfach alles Rassisten und Faschisten. Doch das würde einer dialektisch-materialistischen Analyse nicht standhalten. Gewiss, es gibt diese Menschen bei der AfD – in der Partei (gerade auch in Thüringen) und unter ihren Anhängern. Aber ist es nicht abwegig zu behaupten, dass jeder dritte Sachse oder Thüringer und rund 20 Prozent der Bevölkerung Faschisten sind? Doch selbst, wenn wir das als Erklärung gelten ließen, wäre damit immer noch nicht geklärt, warum diese Menschen anscheinend immer mehr werden.

Wenn es zu Messerangriffen wie in Solingen (und bei Weitem nicht nur dort) kommt, macht das den Menschen Angst – und zwar zu Recht. Wenn diese Taten von Ausländern, Flüchtlingen und/oder Muslimen begangen werden, nutzt die AfD diese Angst für ihre Hetze. Und wenn der Politik weit über die AfD hinaus erst mal nichts anderes einfällt, als über Verschärfungen des Asylrechts zu diskutieren, verstärkt das diese Verunsicherung und den Zorn noch. Es ist wichtig, dass wir die Menschen dazu bringen, diese Fälle differenziert zu betrachten und zu bedenken, dass Messerstecher auch unter Ausländern, Flüchtlingen, Muslimen usw. eine Minderheit sind. Dabei dürfen wir jedoch keinesfalls die Geschehnisse verharmlosen oder die Sorgen der Menschen lächerlich machen – das wäre nur Wasser auf die Mühlen der AfD.

Umfragen deuten darauf hin, dass ein Großteil der Rechtswähler Frust- und Protestwähler sind. Es sind Menschen, die zu den Verlierern der neoliberalen Offensive spätestens seit der Agenda 2010 gehören oder fürchten müssen, bald dazuzugehören. Dass der alternativlose neoliberale Sozialkahlschlag zu einer enormen sozialen Polarisierung, die für viele nun mal den sozialen Abstieg bedeutet, sowie zu Politikverdrossenheit und Protestwahlverhalten führt, ist ja nun nichts Neues. Der springende Punkt ist doch: Warum sind diese Menschen bereit, Parteien zu wählen, die selbst ein neoliberal-elitäres Wirtschaftsprogramm haben? Wieso wählen sie nicht linke Parteien, die ihre Interessen doch viel eher vertreten?

Spätestens seit 1999 (bei der SPD begann der Prozess viel früher) lässt sich beobachten, wie die mehr oder weniger linken Parteien ihren Frieden mit dem neoliberalen Establishment gemacht haben und selbst Teil dieses Establishments wurden. Das Linkssein dieser Parteien äußert sich nicht oder kaum mehr in sozial- und wirtschaftspolitisch linker Programmatik. Diese Programmatik wurde durch Political Correctness und Vorschriften zum politisch korrekten Verhalten des Einzelnen ersetzt. Zugespitzt formuliert: Nicht mehr, dass ein paar Superreiche so viel besitzen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, ist das Problem – sondern, dass keine oder kaum Frauen oder Schwarze darunter sind! Dass Unilever Soße für Zigeunerschnitzel verkaufte, führte zu einem Sturm der Empörung – danach, dass es dort zugleich Lohnkürzungen und Entlassungen gab, krähte hingegen kein Hahn. Vielfalt statt sozialer Gerechtigkeit (dabei sei hier ausdrücklich betont: Das “statt” ist das Problem, nicht die Vielfalt!), Sprachpolizei statt Lohnkämpfe, Selbstgefälligkeit aufgrund der “richtigen”, “grünen” Lebensweise und Herabschauen auf alle, die sich das nicht leisten können – das ist nun mal keine attraktive “Linke”.

Und dann ist da eine Partei, die noch “normal” ist, die Migration als Bedrohung begreift, für die es noch Mann und Frau gibt, die uns reden lässt, wie wir wollen, und die die Menschen nicht herablassend behandelt, wenn sie Fleisch essen, im Discounter einkaufen (müssen) oder sich kein teures Elektroauto leisten können. Und zusätzlich regt sich die etablierte Politik so richtig schön über diese Partei auf und lehnt sie geradezu hysterisch ab. Da versteht sich doch von selbst, dass diese Partei Zulauf erhält und Protestwähler anzieht! Dass sie dabei selbst ausgeprägt neoliberal ist und das Leben der Menschen keineswegs verbessern würde (von geschlossenen Grenzen und dem Verzicht auf “geschlechtergerechte Sprache” hat schließlich niemand auch nur einen Cent mehr im Geldbeutel), ist dann für viele zweitrangig. Hauptsache, man kann es “denen da oben” mal so richtig zeigen.

Wo können wir als DKP also ansetzen? Gewiss nicht da, dass wir der AfD nachplappern und bei ihr andocken; wir können mit dieser Partei inhaltlich nichts gemeinsam haben. Aber wir dürfen auch nicht in den hysterischen Chor einstimmen und die Anhänger der AfD nicht einfach ausgrenzen (und können das ja auch gar nicht, dafür sind es einfach zu viele), sondern ihre Sorgen ernst nehmen, ihnen zuhören und auf Augenhöhe Gegenargumente liefern. Wir müssen etwa erklären: Jeder macht sich doch Sorgen, wenn Messerangriffe zunehmen! Aber die Demagogie der AfD, Flüchtlinge pauschal als “Messermänner” darzustellen, ist einfach übertrieben. Auch wir sind empört über die antisoziale und völlig abgehobene politische Elite – aber die AfD ist programmatisch absolut keine Alternative dazu! Auch wir sind gegen Krieg – aber ist die AfD denn wirklich eine Antikriegspartei? Stattdessen müssen wir unsere Konzepte aufzeigen und offensiv vertreten. Es gilt, grundsätzliche Gemeinsamkeiten mit diesen Protestwählern auszuloten, aber auch, Aufklärungsarbeit zu leisten.

Natürlich, es ist keineswegs gesagt, dass das immer und sofort funktioniert – und wenn, dann auch nur bei den Protestwählern und nicht bei denen mit einem gefestigten faschistischen Weltbild. Vielmehr wird es sich um mühevolle Kleinarbeit handeln, die nur mittel- bis langfristig erfolgreich sein kann. Und doch sehe ich keine Alternative dazu, denn Ausgrenzung und Proteste des Establishments bestärken AfD-Anhänger eher in ihrem Trotz – und wer sich auf diese Seite stellt, wird in ihren Augen Teil des Establishments.

Ralph Petroff