Zeitenwende im Profisport

Zeitenwende im Profisport

 

Borussia Dortmund hat einen neuen Sponsor: Wie vor dem Champions-League-Finale bekannt gegeben wurde, wird der BVB künftig für Rheinmetall werben. Der Eishockeyverein Düsseldorfer EG zog inzwischen nach. Passt doch, könnte man denken, wenn man das Unternehmen nicht kennt – ein paar Millionen mehr kann doch jeder Verein brauchen, und der Name suggeriert einen regionalen Bezug. Das Problem dabei ist nur, dass Rheinmetall eben nicht irgendein regionales mittelständisches Unternehmen ist, sondern Deutschlands größter Waffenhersteller.

Nun könnte man sagen, das ist nur konsequent – im Kapitalismus wird eben das getan, was am meisten Geld bringt. Und im Profifußball gibt es vermutlich keine “sauberen” Sponsoren. Und doch ist es noch mal eine neue Qualität, für ein Unternehmen zu werben, bei dem nicht nur gewisse Geschäftspraktiken, sondern bereits das Geschäftsfeld als solches fragwürdig ist. Diverse Sponsoren standen bereits wegen Überwachung der Mitarbeiter oder Lohndrückerei in der Kritik (was natürlich ebenfalls abzulehnen ist) – Rheinmetall hingegen macht gewaltige Profite mit Mordwerkzeugen und Tötungsgerät. Frieden wäre der Rüstungsschmiede ein Graus, weil geschäftsschädigend. Ein Unternehmen, das an Krieg und Gemetzel verdient, ist kein “normales” Unternehmen.

“Sicherheit und Verteidigung sind elementare Eckpfeiler unserer Demokratie. Deshalb halten wir es für die richtige Entscheidung, uns sehr intensiv damit zu beschäftigen, wie wir diese Eckpfeiler schützen. Gerade heute, da wir jeden Tag erleben, wie Freiheit in Europa verteidigt werden muss. Mit dieser neuen Normalität sollten wir uns auseinandersetzen”, so der scheidende BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. Das Geld eines Rüstungskonzerns zu nehmen, ist also Dienst an Nation und Demokratie. Es gehört einiges an Kreativität und Dreistigkeit dazu, die eigene Geldgier noch als Altruismus zu verkaufen. Man fragt sich, was Watzke darauf entgegnen würde, dass die Militarisierung des öffentlichen Raum mit großflächiger Bundeswehr-Propaganda auf Plakaten und sogar auf Zügen schon weit vor der “Zeitenwende” begonnen hatte. Der Ukraine-Krieg ist lediglich ein willkommener Anlass, den Militarismus weiter voranzutreiben.

Neben zahlreichen Witzen (“bessere Verteidigung”, “treffsicherere Offensive”) sind die Reaktionen der Fans weitgehend negativ. Aber im Fußball verhält es sich nicht anders als in unserer “Demokratie”: Das Volk bzw. der Fan – die doch eigentlich das Subjekt sein sollten – sollen ihre Stimme abgeben bzw. Tickets und Fanartikel kaufen und ansonsten, auf gut Deutsch gesagt, die Fresse halten. Was zählt, ist der Gewinn, und seien wir ehrlich – beim ersten großen Transfer oder fünf Siegen zu Saisonbeginn hätten die meisten Fans das Thema Rheinmetall wohl wieder vergessen. Es bleibt zu hoffen, dass ich mich irre und (nicht nur) die BVB-Fans diesem Deal etwas entgegensetzen. Dass das punktuell durchaus möglich ist, hat der erfolgreiche Protest gegen einen Liga-Investor gezeigt.

Doch warum nicht gleich Nägel mit Köpfen machen? Wenn ein österreichischer Brausekonzern sich Fußballvereine als Werbespielzeuge kaufen (und durch massive Investitionen den Wettbewerb verzerren) kann, warum dann nicht auch die Bundeswehr oder ein Rüstungskonzern? Wie wäre es zum Beispiel mit Bundeswehr Nürnberg mit Trikots im Flecktarnmuster statt in Rot-Schwarz? Oder mit KMW Schweinfurt 05 im neuen Leopard-2-Stadion? Oft wird herablassend auf Länder wie Katar oder Saudi-Arabien herabgeschaut, die das Ansehen ihrer schmutzigen Regime über Sportveranstaltungen oder Investitionen in den europäischen Fußball reinwaschen wollen (landläufig “Sportswashing” genannt). Doch wenn Rüstungskonzerne genau das tun und versuchen, sich über den Sport zu normalisieren und von ihren bluttriefenden Händen abzulenken, dann ist das natürlich etwas ganz anderes – es geht ja um die “Verteidigung von Freiheit in Europa” …

Ralph Petroff